Holger Döbert (Chem.Ing.)

anwendungsbezogene Werkstoffberatung, Korrosion und Korrosionsschutz, Schadensaufklärung

selektive Korrosion und selektive Korrosionsarten

Bei Werkstoffen mit inhomogenem Gefüge kann sich der unedlere Partner anodisch auflösen, während der Edlere als Kathode fungiert und meistens in schwammförmiger Konsistenz zurückbleibt.

In einzelnen Fällen kommt es auch zum selektiven Herauslösen von Legierungselementen, die nicht vollständig im Gefüge gelöst sind.

Beispielsweise können Salpetersäure und heiße sulfidische Lösungen und Schmelzen das Legierungselement Molybdän selektiv aus V4A-Stählen herauslösen.

Die bekanntesten selektiven Korrosionsarten sind die Entzinkung von Messing und die Graphitierung (Spongiose) von Grauguß.

Allerdings existieren zahlreiche weniger bekannte und teilweise recht exotisch erscheinende selektive Korrosionsarten.

  

Graphitierung (Spongiose) von Grauguß

Selektive Korrosionsart, die Werkstoff betrifft, welche in ihrem Gefüge freien Graphit enthalten. Am häufigsten ist Grauguß betroffen. Graphitierung entsteht meistens bei schwach sauren pH-Werten zwischen 4 und 5,5 sowie unter anaeroben Bedingungen. Die metallischen (ferritische und perlitische) Gefügeanteile lösen sich anodisch auf, die als Kathode wirkenden Graphitlamellen bleiben als weiches, schwammartiges Gerüst zurück. Deshalb wird die Graphitierung auch als Spongiose (vom lateinischen Spongus = Schwamm) bezeichnet. Obwohl diese Korrosionsart seit weit über 100 Jahren bekannt ist, konnte der Mechanismus bis heute noch nicht völlig geklärt werden.

Die folgenden Beispiele zeigen drei Laufräder von Kreiselpumpen aus Grauguss. 

Graphitierung nach 15 Monaten in Büttenwasser

Graphitierung nach 15 Monaten in schwach saurem Büttenwasser

Graphitierung nach einem Jahr in säurehaltigem Glycerin

Graphitierung nach einem Jahr in säurehaltigem Glycerin 

Graphitierung, ausgelöst durch organische Säurereste

durch organische Säurereste ausgelöste Graphitierung

 

Entzinkung von Messing

Häufig auftretende, selektive Korrosionsart von Kupfer-Zink-Legierungen bzw. Messing. Beide Gefügebetandteile gehen zunächst in Lösung, das edlere Kupfer scheidet sich jedoch wieder ab und bildet einen schwammartigen, porösen Niederschlag. Betroffen sind Sorten, die über 15 % Zink enthalten. Entzinkung entsteht häufig in chloridhaltigen Lösung, z.B. in Meerwasser, aber auch im Bereich von Hausinstallationen. Zahlreiche Faktoren wie geringe Ablagerungen, rissige und poröse Deckschichten und mangelnder Sauerstoffzutritt begünstigen die Entstehung einer Entzinkung. 

Entzinkung am Schwimmer eines Durchflussmessers aus Messing

durch Chloride ausgelöste Entzinkung am Schwimmer eines Durchflussmessers aus Messing

Entzinkung von Messing

metallographisches Schliffbild des entzinkten Bereiches

 

Entaluminierung von Aluminiumbronze

Relativ seltene, wenig erforschte selektive Korrosionsart bei Kupfer-Aluminium-Legierungen (Aluminiumbronzen). Kupfer und Aluminium gehen zunächst gemeinsam in Lösung, das edlere Kupfer scheidet sich wieder an der korrodierten Oberfläche ab und bildet eine schwammige Struktur. Entaluminierung kann u.a. von sauren und chloridhaltigen Lösungen sowie natürlichem Seewasser ausgelöst werden.

Entaluminierung am Laufrad einer Seewasserpumpe aus Aluminiumbronze

 

Unter Belägen entdeckte Entaluminierung am Laufrad einer Seewasserpumpe aus Aluminiumbronze nach 15 Monaten Betrieb.

 

Entnickelung von Nickelbronze

Seltene selektive Korrosionsart bei Kupfer-Nickel-Legierungen. Das Nickel löst sich, während das Kupfer in schwammartiger Struktur zurückbleibt. Entnickelung kann beispielsweise in heißen Kühlwässern unter stagnierenden Bedingungen auftreten.

 

Entsilizierung von Siliziumbronze

Sehr seltene, fast unbekannte selektive Korrosionsart. Bei Siliciumbronzen in heißem, saurem Dampf wurde ein selektives Herauslösen des Siliciums beobachtet.

 

Entzinnung von Zinnbronze 

Sehr seltene, bei gegossenen Kupfer-Zinn-Legierungen (Zinnbronzen) beobachtete Korrosionsart, bei der das enthaltene Zinn in Lösung geht. Dieser Mechanismus wurde in heißen chloridhaltigen Lösungen und Dampf beobachtet.

 

Schichtkorrosion bei Aluminiumlegierungen

Schichtkorrosion, auch Blätterteigkorrosion genannt, ist eine selektive Korrosionsart, die unter bestimmten Umständen bei Aluminiumlegierungen der Gruppen AlZnMg sowie AlZnMgCu auftritt. Von Guß dieser Werkstoffe herkommende Seigerungen werden durch die Umformvorgänge Walzen und Strangpressen parallel zur Oberfläche ausgerichtet. Korrosive Umgebungsmedien bewirken einen von den Schnittkanten der betroffenen Bauteile beginnenden Angriff. Im Laufe der Zeit entstehende großvolumige Korrosionsprodukte führen schließlich zum Aufblättern des darüber liegenden Metalls. 

Schichtkorrosion an Bauteilen aus der Aluminium-Legierung AlZnMgCu1,5

Schichtkorrosion an Bauteilen aus der Aluminium-Legierung AlZnMgCu1,5 nach 18 Monaten in feuchter, maritimer Umgebung

Schichtkorrosion an einer Platte aus einer Aluminium-Legierung

Schichtkorrosion an einer Platte aus einer Aluminium-Legierung

 

 

Tunnelkorrosion von nichtrostendem Stahl

Sehr seltene Korrosionsart, die bei gewalzten und geschmiedeten Werkstoffen in hochkonzentrierter Salpetersäure auftreten kann. Es bilden sich wabenförmige, wanddurchdringende Tunnels, die sich jedoch nur in "Bearbeitungsrichtung" entlang der Korngrenzen ausbreiten.

 

Tunnelkorrosion an einem Ventil aus 1.4361


Tunnelkorrosion an einem Ventil aus dem Sonderwerkstoff 1.4361 nach wenigen Monaten Einsatz in hochkonzentrierter Salpetersäure.

Schadensursache war ein relativ hoher Anteil an Verunreinigungen im Gefüge des Werkstoffes.

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            

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